Sonntag, 1. August 2021

Kalender 2021 - Zeitreise August

Quilt von Gabi Fischer

Westöstlicher Stammbaum

Meine „Zeitreise“ geht zurück zur Zeit des geteilten Deutschlands und zur Wiedervereinigung. Bei dem Thema fällt mir als erstes die Geschichte meiner eigenen Familie ein, die für viele Jahre durch die innerdeutsche Grenze in zwei Teile geteilt war. Zuerst waren gar keine gegenseitigen Besuche möglich. Als ich klein war, durften wir „Westler“ dann mit dem Zug zu unseren Verwandten fahren, nachdem vorher eine Unmenge von Formalitäten zu erledigen war. Ich erinnere mich an schier endlose nächtliche Zugfahrten in ein Land, das mir fremd war. Ein Gegenbesuch der Verwandten bei uns war noch nicht möglich.

In den Siebzigerjahren durften wir dann mit dem Auto fahren. Immer noch waren viele Dokumente zu beschaffen, die Familie wurde mit neuen Klamotten ausgestattet und das Auto mit Geschenken vollgepackt: viele Dinge, die es „drüben“ nicht zu kaufen gab und auf den Wunschlisten meiner Tanten und Cousins standen („Es jibt ja nüscht!“). Manches war allerdings nicht erlaubt, z.B. Bücher.
Die Grenzkontrollen waren immer sehr aufregend, meine Mutter den Tränen nah. Alles wurde genau untersucht, das Waschmittelpaket geröntgt und immer wieder die Papiere genau studiert. Man musste auch eine bestimmte Menge D-Mark in DDR-Mark umtauschen, für die man aber kaum Verwendung hatte. Der Aufenthalt bei den Tanten war aber immer sehr herzlich und voller Kuchen und Leberwurstbrote. Der Westbesuch war natürlich eine willkommene Abwechslung im DDR-Alltag.

Mit der Zeit wurden die Reisebeschränkungen etwas gelockert, Rentner durften in den Westen reisen, und meine Cousins durften zu meiner Hochzeit kommen (allerdings ohne Familien).

Natürlich war der Tag des Mauerfalls für uns alle ein sehr emotionales Erlebnis und bis heute genießen beide Seiten der Familie, dass wir uns sehen können, wann immer wir wollen. Immer noch werde ich nervös, wenn wir uns einer Landesgrenze oder der ehemaligen „DDR-Grenze“ nähern, suche nach den Pässen und hoffe, dass wir nicht kontrolliert werden. Für mich gibt es keine Alternative zum vereinten Europa und ich finde es sehr wichtig, diese Botschaft an die jüngere Generation weiterzugeben.

 





Zum Quilt:

Maschinen-genäht und gequiltet aus selbst gefärbten und gedruckten Stoffen. Couching und Maschinen-Applikation. Spitzen appliziert.
Der Quilt ist 120 cm lang und stellt ca. 120 Jahre (1900 – 2020) meiner Familiengeschichte dar, also pro Jahr 1 cm. Jede Person ist in etwa auf Höhe ihres Geburtsjahres dargestellt. Bei Martha und Hermann habe ich etwas geschwindelt, die sind eigentlich vor 1900 geboren. Den Reißverschluss kann man öffnen und damit die Teilung verdeutlichen.

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