Quilt von Gabi Fischer
Westöstlicher Stammbaum
Meine „Zeitreise“ geht zurück zur Zeit des geteilten Deutschlands und zur Wiedervereinigung. Bei dem Thema fällt mir als erstes die Geschichte meiner eigenen Familie ein, die für viele Jahre durch die innerdeutsche Grenze in zwei Teile geteilt war. Zuerst waren gar keine gegenseitigen Besuche möglich. Als ich klein war, durften wir „Westler“ dann mit dem Zug zu unseren Verwandten fahren, nachdem vorher eine Unmenge von Formalitäten zu erledigen war. Ich erinnere mich an schier endlose nächtliche Zugfahrten in ein Land, das mir fremd war. Ein Gegenbesuch der Verwandten bei uns war noch nicht möglich.
In den
Siebzigerjahren durften wir dann mit dem Auto fahren. Immer noch
waren viele Dokumente zu beschaffen, die Familie wurde mit neuen
Klamotten ausgestattet und das Auto mit Geschenken vollgepackt: viele
Dinge, die es „drüben“ nicht zu kaufen gab und auf den
Wunschlisten meiner Tanten und Cousins standen („Es jibt ja
nüscht!“). Manches war allerdings nicht erlaubt, z.B. Bücher.
Die
Grenzkontrollen waren immer sehr aufregend, meine Mutter den Tränen
nah. Alles wurde genau untersucht, das Waschmittelpaket geröntgt und
immer wieder die Papiere genau studiert. Man musste auch eine
bestimmte Menge D-Mark in DDR-Mark umtauschen, für die man aber kaum
Verwendung hatte. Der Aufenthalt bei den Tanten war aber immer sehr
herzlich und voller Kuchen und Leberwurstbrote. Der Westbesuch war
natürlich eine willkommene Abwechslung im DDR-Alltag.
Mit der Zeit wurden die Reisebeschränkungen etwas gelockert, Rentner durften in den Westen reisen, und meine Cousins durften zu meiner Hochzeit kommen (allerdings ohne Familien).
Natürlich war der Tag des Mauerfalls für uns alle ein sehr emotionales Erlebnis und bis heute genießen beide Seiten der Familie, dass wir uns sehen können, wann immer wir wollen. Immer noch werde ich nervös, wenn wir uns einer Landesgrenze oder der ehemaligen „DDR-Grenze“ nähern, suche nach den Pässen und hoffe, dass wir nicht kontrolliert werden. Für mich gibt es keine Alternative zum vereinten Europa und ich finde es sehr wichtig, diese Botschaft an die jüngere Generation weiterzugeben.
Zum Quilt:
Maschinen-genäht
und gequiltet aus selbst gefärbten und gedruckten Stoffen. Couching
und Maschinen-Applikation. Spitzen appliziert.
Der Quilt ist 120
cm lang und stellt ca. 120 Jahre (1900 – 2020) meiner
Familiengeschichte dar, also pro Jahr 1 cm. Jede Person ist in etwa
auf Höhe ihres Geburtsjahres dargestellt. Bei Martha und Hermann
habe ich etwas geschwindelt, die sind eigentlich vor 1900 geboren.
Den Reißverschluss kann man öffnen und damit die Teilung
verdeutlichen.